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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 03.03.2005


Podium I - Zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unvernunft weiblicher Ausgrenzung
AVIVA-Redaktion

Eine Diskussion über postfaschistische Rollenbilder und ihre Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft.




Nachdem auf dem Podium ausschließlich Gewinnerinnen der Globalisierung Platz genommen hatten, galt es im Gespräch herauszufinden, welche Barrieren Normal-Frauen auf dem Weg nach oben zu überwinden haben.

Verzicht auf Privatleben - keine Garantie für den Aufstieg
Gisela Erler, Gründerin der pme Familienservice GmbH, des nach eigener Aussage Europäischen Marktführers in Work-Life-Balance stellte klar, dass es keinen finanziellen Anreiz für Frauen gäbe, Karriere zu machen, da weibliche Führungskräfte viel zu wenig verdienten, um die Abstriche, die sie dafür an ihr Privatleben zu machen hätten, zu rechfertigen. Zum anderen bekämen Frauen aufgrund falscher Vorannahmen (z.B. "Mütter sind nicht mobil") zu wenig herausfordernde Aufgaben gestellt. Ein Blick auf die Profile der erfolgreichsten Frauen weltweit zeige aber, dass viele von ihnen Kinder, zumindest aber fast immer Lebenspartner haben, was deutlich macht, dass der Verzicht auf Privatleben nicht als Aufstiegsweg funktioniert.Christine Lagarde, Partnerin der international agierenden Anwaltsfirma Baker McKenzie und selbst Mutter von zwei Söhnen, lenkte in diesem Zusammenhang den Blick auf unser Nachbarland Frankreich, das durch seine gesetzliche Quotenregelung Frauen in Regierung und Aufsichtsräten integriert hat. Als Konsequenz seien die Geburtenraten in Frankreich sogar noch gestiegen.

Die Vision von der Rabenmutter
Gisela Erler sieht das Urproblem der Erwerbslosigkeit von Müttern in der "Rabenmuttervision" postfaschistischer Länder: Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und Japan pflegten immer noch ein lang tradiertes Mutterbild, von der Frau, die sich ganz und gar der Familie zu opfern hätte. In diesen Ländern gehe aber Erwerbslosigkeit und Kinderlosigkeit Hand in Hand. Im "modernen" Europa hingegen wie den skandinavischen Ländern, aber auch in Frankreich sei es selbstverständlich Beruf und Familie zu kombinieren. Konsequenterweise müsse es einen mentalen Wandel, einen Wandel auch in den Köpfen der Frauen geben, die sich diesem Klischee allzu freiwillig unterwerfen.

Das Klischee von der Stutenbissigkeit
Auf die Frage von Moderatorin Petra Lidschreiber, ob sich Frauen - wenn sie es denn mal in die Top-Positionen geschafft hätten - nicht gegenseitig das Leben schwer machten, und doch viel lieber mit Männern arbeiten würden, anstatt aufstrebende Frauen zu unterstützen, musste Klaudia Martini, Staatsministerin a.D. und ehemaliges Vorstandsmitglied der Adam Opel AG klar widersprechen: Ihre Erfahrung sei, dass Frauen in Top-Positionen viel für andere Frauen tun und eher von den Männern aus der zweiten und dritten Reihe untergraben würden. Unterstützende Worte kamen von Irene Natividad, Präsidentin der internationalen Frauenkonferenz Global Summit of Women. Sie lenkte den Blick auf ihr Heimatland USA und wies darauf hin, dass jedes Gesetz, das jemals zugunsten der Frauen gemacht wurde, von Frauen verabschiedet wurde.

Von der Unvernunft weiblicher Ausgrenzung
Mit Blick auf das Thema des Panels räumte Gisela Erler mit einem weiteren Klischee auf, nämlich dem des Kuchens, der in Zeiten des Arbeitsplatzmangels unter immer mehr Personen aufgeteilt werden müsse: Alle Länder, die nicht nur Frauen, sondern auch ältere Menschen und Immigranten integrieren, haben wachsende, keine schrumpfenden Arbeitsmärkte! In Deutschland hingegen, wo sich das Bild vom aufzuteilenden Kuchen hartnäckig hält, wird die Arbeit auf nur wenige Arbeitnehmer verteilt, die mit 50-60 h pro Woche belastet werden, werden arbeitswillige Menschen frühpensioniert und Frauen bei der Stellenvergabe diskriminiert. Irene Natividad fügte hinzu, dass unser jahrelanges Argument der Ungerechtigkeit von Frauendiskriminierung nicht gezogen hätte, vielmehr müsse man nun mit der Unvernunft und der Unwirtschaftlichkeit weiblicher Ausgrenzung argumentieren, schließlich werden 80% der Kaufentscheidungen (in den USA) von Frauen getroffen, sie stellen 60% der Internet-User dar. Wir sollten uns also unserer buying power bewußt sein und sie zu nutzen wissen.

Der Blick über den Tellerrand
Als ein Instrument von weiblicher Integration in die Arbeitsmärkte stellten die Panelteilnehmerinnen die gesetzliche Quotierung positiv heraus. In Norwegen, wo die Geschlechtergleichberechtigung zwar in der Politik besteht, in der Wirtschaft aber noch nicht erreicht ist, wurde nach jahrelangen frustlosen Debatten, einfach ein Gesetz verabschiedet, das eine Frauenquotierung in den Aufsichtsräten der Unternehmen vorsieht, demnach werden Konzerne gezwungen, nach spätestens zwei Jahren einen 40prozentigen Frauenanteil in den Aufsichtsräten vorzuweisen. Ein Ansatz, der auch unserem Land gut zu Gesichte stehen dürfte.


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Beitrag vom 03.03.2005

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